10. Blog – Dankbarkeit
Welche Bilder Worte und Szenen erscheinen in Deinem Film mit dem Titel: Personen denen ich dankbar bin. Für Leben, Liebe, Vertrauen und Lernen?
Von welchen Personen hast du am meisten erhalten? Und welchen bist du besonders dankbar und willst ihnen etwas zurückgeben?
Wahrscheinlich tauchen in deinem Film Vater, Mutter und Geschwister auf. Goethe bedankt sich bei seinen Eltern, wenn er sagt: Vom Vater habe ich die Statur des Lebens ernstes Fühlen, von Mütterchen die Frohnatur die Lust zum Fabulieren.
Welchen Personen bin ich besonders dankbar? Auf ihre Art haben mich viele Personen gefördert. Mein Film hätte Überlänge so wie wahrscheinlich auch deiner.
Ich beginne mit Al Pesso. Auch hier hat der Zufall für mich wie in vielen Situationen meines Lebens eine große Rolle gespielt. Bei einem Transaktionsanalyse-Kongress in Lindau stellt Angelika Glöckner (ich empfehle ihr Buch „Lieber Vater, liebe Mutter…“ erschienen im Kreuz Verlag) seine Arbeit in einem Workshop vor. Ich werde neugierig und rufe in Amerika an und werde tatsächlich eingeladen an einem Workshop von erfahrenen Pesso Therapeuten teilzunehmen. Pesso war einmal Tänzer und Tanzlehrer. Beim Training von Studenten fällt ihm auf wie wir durch Feedback besser lernen. Zusammen mit seiner Frau entwickelt er eine körperorientierte Therapie, die ich nun in seinem Bildungszentrum am Webster Lake am eigenen Leibe kennen lernen durfte.
Jeder der Workshop Teilnehmer konnte eine Behandlung, in Pesso Sprache eine Struktur erhalten und eine geben – ein effizientes Lernformat gegenseitiger Supervision. In meiner Struktur ging es um Omnipotenz. Ich erhielt die Gelegenheit herauszufinden wie realistisch meine Annahmen über mich selbst sind. Die ganze Gruppe sitzt auf mir und hält mich fest, um mir zu beweisen, dass ich nicht omnipotent bin. Nach einer guten Stunde sehe ich das vollkommen erschöpft auch ein. Ich bin total fertig und ziemlich down. Al schlägt mir Gro als ideale Mutter vor, die mir nun Sätze sagt wie ich sie mir von meiner Mutter als Kleinkind gewünscht hätte. Diese Stunde wurde für mich zu einer überaus wichtigen Lernerfahrung. So ist es auch kein Wunder, dass ich sie noch jetzt nach bald 30 Jahren in allen Einzelheiten erinnere.
Als ich daran bin, eine Struktur zu geben, schlage ich der Gruppe vor, es so machen zu dürfen wie ich es als Familientherapeut gelernt hatte. Pessoarbeit traute ich mir damals noch nicht zu. Al ignoriert meine Bitte, winkt mich zu sich heran und begleitet mich durch sogenanntes Microtracking. Er leitet mich an, unauffällige Mikroreaktionen des vor mir sitzenden Klienten zu sehen, zu hören und manches zu spüren, was mir vorher nicht aufgefallen war, was ich übersehen hätte und was mir ohne seine Hilfe entgangen wäre. Er öffnet mir ein neues Wahrnehmungsfeld für genaues Sehen, aufmerksameres Hören und Spüren. Mir wird bewusst, dass ich noch sehr viel zu lernen habe und dass es mit meiner Omnipotenz wahrlich sehr schlecht bestellt ist. Ich bin betroffen, bewegt und spüre tiefe Dankbarkeit Al und Gro gegenüber.
Noch ein Zufall. Nach Ende des Workshops auf dem Weg zum Flugplatz entschließen sich Gro Robinson und ich noch eine Woche in Maine und Vermont gemeinsam zu reisen. Gro wollte ihre Tochter besuchen und ich wollte noch einmal zurück nach Bethel der Geburtsstätte der Gruppendynamik, wo ich 1974 an einem Sommer Internship der National Training Laboratories teilgenommen hatte. Diese Reise wurde für mich eine wundervolle Coachingtour. Gro hat mich in dieser Woche mit den Feinheiten der Pesso Therapie vertraut gemacht. Und nicht nur das. Sie hat mir auch noch beigebracht wie man einen Hummer richtig isst.
Nicht nur Al Pesso, auch ihr bin ich von Herzen dankbar. Diese Wochen in Amerika haben mich von Al‘s Theorie und Arbeit so überzeugt, dass ich meine guten Erfahrungen an die Trainer und Trainerinnen meines Instituts weitergeben wollte. Lowijs Perquin und Patricia Jones konnte ich dafür gewinnen in London einen kombinierten Sprach- und Pesso-Kurs für die Trainerinnen und Trainer des Instituts durchzuführen. Der Kurs wurde ein schöner Erfolg. Einige der damaligen Teilnehmer hatten sich nach dieser Erfahrung entschlossen, eine Fortbildung in Pesso Therapie zu machen. Wir verbinden nun geeignete Elemente dieses Ansatzes mit unseren Führungstrainings und bieten sie jährlich als Workshop mit dem Titel „Führung von Innen“ an.
Wir trauern in Dankbarkeit um Al und Lowijs, die vor einigen Monaten gestorben sind.