6. Blog – Autoritätskrisen und Identitätsfindung
Unsere Entwicklung ist bestimmt mit dem Suchen, dem Auseinandersetzen und schließlich mit dem Finden von Wirkung, Autorität und Identität.
Vincent, mein 2,5 Jahre alter Enkelsohn, macht das so. Er wird aktiv, nimmt meine Hand und führt mich zur Schaukel. Dann klettert er hoch. Als ich ihn anschieben will, lehnt er das ab und verlangt nach seiner Mutter, die gerade anderweitig beschäftigt ist. Sein Vater naht, fragt nicht lange nach einem Mandat und bewegt die Schaukel.
Im Holen, Ablehnen und Annehmen von Aufträgen experimentiert Vincent mit seiner gerade entdeckten Autorität mit dem, was er schon selbstständig tun kann und will und von wem er sich etwas ausborgen will, um zu seiner eigenen „auctoritas“ und Identität zu finden.
Biergartenbesuch und Waldspaziergang können zwar so zur Geduldsprobe für Eltern und Opa, aber auch zu einem spannenden Lernerlebnis für alle werden.
Ähnliches passiert in der Trainingsgruppe beim gruppendynamischen Führungstraining. Worte und Verstand kommen hinzu und in Metakommunikation wird das Spiel der Kompetenzen und Autoritäten ausgehandelt.
Gerhard Schwarz, der einzige habilitierte Gruppendynamiker in Europa, hat mir beigebracht, warum Autoritätskrisen das Salz in der Suppe des gruppendynamischen Trainings sind. Wenn wir Autorität lernen wollen, müssen wir bereit sein, uns hinterfragen zu lassen. Und das gilt natürlich nicht nur für die Teilnehmer sondern ganz besonders auch für die Trainer des gruppendynamischen Seminars. Ich hatte das Glück, vor knapp 50 Jahren mit ihm zusammen meine erste Gruppe auf Schloss Hernstein leiten zu dürfen. Prompt ist eingetreten, was dem Neuling die schon erfahrenen österreichischen Trainer Per Pesendorfer und Uwe Arnold vorausgesagt hatten. Mir fällt eine super Übung plus Theorie ein (Trainerweisheit: Weiß der Trainer nicht mehr weiter, wird er zum Theorieverbreiter), die ich dann auch gleich vorschlage, gerade als die Gruppe anfing, meine Trainerautorität in Frage zu stellen. Im folgenden Soziogramm erhielt ich dennoch mehr Vertrauens – als Störungs-Feedback und hatte daraus meine Konsequenzen zu ziehen. Mittlerweile habe ich gelernt, dass störende Trainer hohe Wirksamkeit für das Lernen der Teilnehmer haben können.
Gerhard Schwarz wird am 6. Oktober 2017 80 Jahre alt. Mit seinen Veröffentlichungen „Die heilige Ordnung der Männer“, „Konfliktmanagement“ und „Führen mit Humor“ hat er wegweisende Signale für Praxis und Theorie der Gruppendynamik gesetzt.
Herzlichen Glückwunsch, Gerhard